1 .    V o r l e s u n g    F H W     W a l t e r    S t e l z h a m m e r

 

 
 

1. Lehrveranstatung:
Architekturbegriff - Wohnung und Stadt - Typus und Struktur

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Ernst A. Plischkes Diagramm Moderne Architektur

Um Architektur im klassischen Sinne anschaulich zu definieren ist Ernst A. Plischke’s Diagramm von der "Modernen Architektur" und seine Erklärung hiezu gut geeignet:

Plischke's Diagramm
 

"Das Ziel einer voll entwickelten modernen Architektur muss meiner Ansicht nach eine Einheit sein zwischen einem räumlichen Konzept einerseits und einer Bauplastik andererseits. Diese beiden Qualitäten müssen aber aus der Erfüllung der Funktion des Bauwerkes und seiner Konstruktion erarbeitet werden. Die wesentliche Qualität einer solchen voll entwickelten Architektur liegt in der Spannung zwischen dem Raumkonzept und der Funktion einerseits und zwischen der Vision einer Bauplastik und der Konstruktion andererseits. Es ist erst diese Spannung, welche einen Bau lebendig macht und zu einem Spürbarwerden seiner Architektonik führen kann. Ohne diese Spannung haben wir entweder einen reinen Utilitarismus oder eine abstrakte Bauplastik."

 
 
 
 

Das orientalische Hofhaus, Zukunft des Wohnens?

Über die Koexistenz und Einfluß von Hauseinheit und Stadt - Typus und Struktur

Heute lebt zwei Drittel der Weltbevölkerung bereits in den Städten. Dies führt zu einem wachsenden Landverbrauch, der immer mehr die Entwicklung neuer Wohnformen bestimmt. Gemessen an den geringen Landresourcen, die wir in Mitteleuropa noch haben, ist die Dichte (mit all ihren Konsequenzen) sicher der wesentlichste Faktor der erforderlichen neuen Entwicklungen im Wohnungsbau.

Kompakte Siedlungsformen stellen neue Anforderungen an Planer hinsichtlich neuer Wohnungstypologien mit offenen Strukturen. Unter dem ökologischen und ökonomischen Druck sind verstärkt Mischnutzungen (Wohnen, Arbeiten, Infrastruktur) gefordert. Wesentlich ist dabei die Wechselwirkung der kleinsten Einheit (der Wohnung) mit dem städtebaulichen Ganzen, da man den Wohnungsbau nicht isoliert von der Umgebung betreiben kann.

Einige Vorzüge kompakter (dichter) Siedlungsformen sind geringer Landverbrauch, bessere Energiebilanzen, reduzierte Aufwendungen für erforderliche Infrastruktur, eine bessere urbane Qualität im Vergleich zu den gegenwärtigen Satellitenstädten der Peripherie, vielleicht ein Schließen der Kluft zwischen Historismus und Moderne sowie eine höhere Wohnungsqualität durch abgegrenzte Freiräume trotz Dichte.

Die bisher entwickelten Typologien und Bebauungsstrukturen reichen nicht mehr aus, um diese Aufgaben zu lösen. Neue Stadtmodelle und exemplarische Lösungen sind gefragt.

Die folgenden zwei ausgeführten konventionellen Bebauungsmuster formen eine Basis für einen Dichtevergleich:

Dichtestrukturen
 
 
Wohnbebauung Leberberg, 1110 Wien

Hierbei handelt es sich um einen kleinen Bauteil (mit 120 Wohnungen) eines der größten Stadterweiterungsprojekte am südlichen Stadtrand Wiens (mit 4000 Wohneineheiten). Im Kern war eine konventionelle Blockrandbebauung um eine zentrale Freifläche vorgegeben, jedoch konnte der geschlossene Block zumindest in eine Kammbebauung mit Orientierung zum öffentlichen Grün geändert werden.

Projektbeschreibung Leberberg...
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Wohnhausanlage Mühlgrundweg, 1220 Wien

Dieses Beispiel stellt wieder einen Teilbereich einer peripheren Siedlungsstruktur als klassische Reihenhauszeile dar. Hierbei wurde versucht, innerhalb der Strukturmöglichkeiten maximale Dichte zu erreichen. Ein städtebaulicher Mangel dieser Bebauungen liegt im Fehlen einer umfassenden Urbanität. Das heißt, der notwendige Gebäudezwischenraum bleibt meist erzwungene Restfläche.

Projektbeschreibung Mühlgrundweg...
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Städtebaulicher Ideenwettbewerb Süssenbrunn, 1220 Wien

Das Thema Urbanität an der Peripheri konnte bei einem internationalen Wettbewerb in Wien konkretisiert werden. Für ein 40 Hektar großes Areal zwischen einem gewachsenen Dorfkern und Einfamilienhaus-Zersiedelung war ein exemplarischer Bebauungsvorschlag für ca. 2000 Wohnungen zu entwickeln. In Rückbesinnung auf die gezeigten historischen Vorbilder wurden urbane Stadtpartikel (-körper) in den Grünraum transportiert. Die Collage eines Stadtausschnittes von Kairo in ein grünes Feld gesetzt, soll die Quartiersidee manifestieren.

Klar begrenzte autarke Quartiere mit je ca. 4 Hektar sollen in Etappen der weiteren Zersiedelung entgegenwirken. Der Dorfkern und Einfamilienhäuser werden durch die neuen Siedlungskörper nicht verbunden. Durch hohe Dichte in 3-4 Geschossen kann die Landbeanspruchung möglichst gering bleiben. Der vorhandene Landschaftsraum bleibt zusammenhängend erhalten. Die autarken Stadtteile sind vom Grünraum umspült.

Für die Umsetzung des Dichteanspruches wurden Hofhaustypen entwickelt. In 2 Varianten werden gestapelte Gartenhof- bzw. Dachatrientypen zunächst noch linear gruppiert. Wobei die vertikale Erschließung so angelegt ist, dass die 3 gestapelten Haustypen sowohl getrennt als auch als Einheit nutzbar sind.

Der Beitrag erreichte die Endrunde des Wettbewerbs. Zuletzt wurde aber auf Grund seines endgültigen Bebauungskonzeptes (es gibt keine späteren Erweiterungs- möglichkeiten im Freiraum zwischen den Quartieren) ein konventionelles Bandstadtkonzept von der Jury vorgezogen.

Der prototypische Ansatz für Stadtrandlösungen führte zu einer weiteren Quartiersstudie im Auftrag der Stadt.

Projektbeschreibung Süssenbrunn...
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Städtebauliche Studie, Marchfelder Quartiere, 1220 Wien

Das Marchfelder Quartier wurde für 500 Wohnungen auf 200 m im Quadrat bis zur Bebauungsreife ausgearbeitet. Der Siedlungskörper wird in mehrere Teilquartiere gegliedert. Zusätzlich sind soziale Einrichtungen wie Schule, Kindergarten sowie sonstige Infrastrukturnutzungen eingeplant.

Für die Einzelquartiere wurden zwei Hofhäuser in 3 Ebenen in nunmehr flächiger Gruppierung entwickelt.

Das L-Haus ist zu 4 Einheiten zusammengesetzt. Die Erschließung erfolgt fußläufig über die mittlere Ebene. Die beiden Hauptgeschoße funktionieren als 2,5-Zimmer- Wohnungen mit darüber liegender Garconniere.

Der Hoftyp ist ein auf den Kopf gestelltes Reihenhaus mit Dachatrium und Dachgarten. Um die 3 Wohnebenen vorerst auch getrennt nutzen zu können, ist ein Stiegenhaus als Schaltglied vorgesehen. Somit können über die mittlere Eingangsebene 3 Einheiten getrennt erschlossen werden.

Speziell ausgebildete Eingangsschaltglieder und eine spezielle Treppenführung gewähren verschiedene Trennungsmöglichkeiten der Geschoße im Sinne verschiedener Bedürfnislagen des Lebensverlaufs (Generationenwohnen, Funktionenmix, usw.) Unter Einsetzung dieser Kombinationen kann eine Wohnungseinheit bis zu 150 m² groß sein.

Das Einzelquartier funktioniert in seiner Kompaktheit wie ein Stiegenhaus eines konventionellen Geschoßwohnbaus. Auf dem Niveau der Erschließungsebenen gibt es in jedem Quartier einen Zentralplatz mit nach unten eingeschnittenem Gemeinschaftsraum.

Die Quartiersidee wurde ursprünglich für Wohnzwecke am Stadtrand entwickelt. Um sowohl der Dichte als auch den infrastrukturellen Anforderungen der Stadt gerecht zu werden, wurde prototypisch ein Zentrumsquartier entwickelt.

Projektbeschreibung Marchfelder Quartiere...
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Städtebauliche Studie Zentrumsquartier

Im Vergleich zu einer typischen 5geschossigen Blockrandbebauung mit Innenhof, bei dem die gestapelten Wohneinheiten über Stiegenhäuser und Laubengänge erschlossen sind, ist das Zentrumsquartier flächig und vertikal strukturiert.

Der 3geschossige Wohnungsblock (wieder aus Hofhäusern bestehend) bildet den oberen Abschluss. Die hochwertige Dachlandschaft dient hierbei den privaten Freiräumen. Ein Lichthof für Vertikalerschließung und Gemeinschaftsräume verbindet den oberen Wohnteil mit den darunterliegenden Infrastrukturgeschossen.

Die hochfrequentierten Nutzungen wie Supermarkt und Restaurant etc. sind im Sockelgeschoß (auf Straßenniveau) angesiedelt. Darüber befindet sich die zweite niederfrequentierte Infrastrukturebene mit Sonderwohnformen für Singles und ältere Menschen sowie Ateliers und Büros. Die erforderlichen PKW können mit Hoch- oder Tiefgarage abgedeckt werden.

Im Unterschied zur gezeigten Blockrandbebauung kann das Quartier unterschiedliche Nutzungen großflächig aufnehmen.

Besonders in innerstädtischen Lagen mit hohem Verkehrsaufkommen ist das Kernelement der Wohneinheiten auf dem Dach relativ emmisionsfrei situiert.

In der folgenden vergleichenden Analyse sind die Dichten der 4 bisher gezeigten Bebauungsmuster dargestellt.

Die Vergleichswerte der einzelnen Bebauungsmuster beziehen sich auf eine Grundstücksfläche. Mit ca. 7000 m² ist die Grundfläche eines Quartiers angenommen.

Der Dichtevergleich zeigt, dass eine sehr dichte Reihenhausstruktur eine maximale Kennzahl von 0,9 erreichen kann. Der Dichtekennwert ist eine Verhältniszahl der Grundstücksfläche zu den Bruttogeschoßflächen. Der analysierte Geschoß- wohnungsbau (Kammbebauung) erreicht bei 5 Geschoßen eine Kennzahl von 2,5.

Das 2geschossige Quartier, für den Stadtrand konzipiert, erreicht im Vergleich zum Reihenhaus eine Kennzahl von 1,7 bei gleicher Geschoßanzahl.

Dies bedeutet im langjährigen Diskurs um die Ausnutzung von Grundstücken: Gartenstadt versus Superblock eine klare Verbesserung der ersteren. In wirtschaftlicher Hinsicht können die aufgezeigten Werte die bisherige Nachrangigkeit horizontaler Dichteformen gegenüber vertikaler Strukturen wesentlich aufheben. Vergleicht man nun das 5geschossige Zentrumsquartier mit dem gleich hohen Geschoßwohnungsbau, so kommt man auf einen Kennwert von 3,3, allerdings bei fast 100%iger Bebauung gegenüber einer max. 50%igen Bebauung des Geschoßbaus.

Dichteanalyse
 
 
 
 

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