2 .    V o r l e s u n g    F H W     W a l t e r    S t e l z h a m m e r

 

 
 

2. Lehrveranstatung:
Die Entwicklung im verdichteten Wohnungsbau am Beispiel:
"Wohnarche Atzgersdorf" - WBW Aomori/Japan - "Himmel über Fünfhaus"

weiter!
Wohnarche Atzgersdorf, 1230 Wien

Eine Doppelzeile mit 42 Hofhäusern ist das erste gebaute Anwendungsbeispiel.

Die tiefe Baulücke mit einer schmalen Front zur Ziedlergasse (Abmessungen 36x131m) ist von Mischbauten für Wohnen und Gewerbe umgeben. Sie öffnet sich erst in der Tiefe zur zusammenhängenden Grünfläche.

Ein mehrgeschossiges introvertiertes Atriumhaustyp in L-Form um den Innenhof wurde entwickelt.

Der Siedlungskörper (Abmessungen 114x26m) ist auf Distanz zu den Nachbarhäusern in die Baulücke geschoben. Die stirnseitige Straßenfassade zeigt Geschlossenheit und ist fast gesichtslos. Zwei U-förmige Haustypen sind zueinander gedreht. Sie bilden so ein mit einer Glaswand geteiltes Doppelatrium. Die beiden Einheiten sind in zwei Zeilen, Rücken an Rücken gereiht, so daß eine 26 m tiefe Großform entsteht.

Die beiden Hauptwohnebenen sind um ein Nebengeschoß angehoben. So befindet sich der eigentliche Wohnhof über einem Erdkoffer in Hochlage.

Über Ein- und Ausfahrten können die Autos im Kreisverkehr die gedeckten Stellplätze direkt vor dem Gebäude erreichen. Von dort gelangt man über eine Diele zu Stiege und Kellerraum in der mittleren Zone.

In der Dachebene werden die beiden Hauptgeschosse um ein Atelier mit vorgelagertem Dachatrium, Sitzplatz mit Pergola und große Gartenterasse erweitert.

Das Atriumhaus entwickelt sich auf 130 m² in 4 Ebenen. Am Atrium liegen in den Hauptgeschossen je 2 nutzungsneutrale Räume mit je 20 m². Eine verglaste Kernzone mit Stiege und Nassräumen verbindet diese zu einer kompakten Raumtriologie. Die Grundrisschemas zeigen eine städtische Wohnform mit privatem Grün; Nutzungsvariabel für die unterschiedlichen Entwicklungsphasen und Wohnbedürfnisse einer Familie.

Der Raumzuschnitt und die Größe ermöglichen einerseits Doppelfunktionen wie Essen und Wohnen oder Schlafen und Arbeiten. Eine 3- bis 4köpfige Familie kann geschoßweise getrennt Wohnen, Schlafen und Arbeiten, z. B. zwei gestapelte 2-Zimmer-Wohnungen mit Küche Bad und WC für Familien mit 1 bis 2 Jugendlichen oder anderen Familienmitgliedern wie Großeltern etc.

Neben den reduzierten Außenwandanteilen auf Grund der vernetzten Anordnung der Häuser senkt die Verglasung über dem Innenhof den Energiebedarf. Dabei kann durch Schließen der flexiblen Glasmarkisen auch ein zusätzlich nutzbarer Raum geschaffen werden.

Der vorliegende Siedlungskörper erreicht durch die direkte Erschließung der 42 Spangenhäuser (vom Wohnweg aus) und den dadurch bedingten Entfall von "gebauten Erschließungsflächen" ein sehr günstiges Verhältnis von Bruttogeschoßfläche zu Nettonutzfläche (6152:7058=87%), weiters optimiert die Kompaktheit der Anlage die technische Ver- und Entsorgung.

Mit den städtischen Atriumhäusern konnte zumindest ein Teil der Quartiersidee realisiert werden. Wesentliche städtebauliche Aspekte, wie ein ausgewogenes Verhältnis vom Baukörper zu Freiraum, konnten hier noch nicht umgesetzt werden.

Projektbeschreibung Wohnarche...
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Internationaler Wettbewerb Wohnbebauung im Norden Japans, Aomori

Als Ausblick auf Anwendungsmöglichkeiten in anderen Städten mit anderen klimatischen Bedingungen ein Wettbewerbsbeitrag für Aomori, auf der nördlichsten Insel Japans.

Für ein Grundstück im Zentrum der Stadt war ein Gebäudekomplex für Wohnen in Kombination mit städtischen Nutzungen zu entwickeln. Die klimatischen Bedingungen mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 10 Grad und jährlich 6 m Schneefall erforderten einen speziellen Lösungsansatz.

Vorgeschlagen wurde in japanischer Tradition ein großvolumiger Gebäudekomplex in vertikal 3-teiliger Schichtung. Er soll heterogene Bebauung im Stadtraum binden und verdichten. Das vielschichtige Innenleben des Gebäudes ist eine konzentriert vertikale Tranche aus dem städtischen Nebeneinander. Das obere Drittel des Gebäudes ist eine Antwort auf die nördlichen Klimaverhältnisse, eine dichte Packung von Hofhaustypen mit 2- bis 3geschossigen glasüberdeckten Innenhöfen. Die Wohnplatte ist gleichzeitig Dach für rekreative Aktivitäten in der 3geschossigen Mittelzone darunter.

Die Erschließung der Wohräume erfolgt ebenso witterungsgeschützt an der Unterseite des Wohnungskörpers. Somit stellt die Oberzone Wohnqualität im Grünen mit Licht und Luft im Stadtzentrum dar.

Zur Gebäudestruktur: der 9geschossige Stapel wird durch ein pulsierendes System vertikaler Verbindungen erschlossen und zusammengehalten. 12 Pfeiler mit Stiegen, Aufzügen und Haustechnikschächten schaffen Räume mit großen Spannweiten. Zusätzlich durchschneiden 5 Lichthöfe vertikal das Gebäudeinnere und garantieren tageslichtdurchflutete räumliche Zusammenhänge.

Über dem hochfrequentierten Nutzungsangebot auf Straßenniveau befindet sich eine weitläufige 3geschossige Halle mit Pavillions in künstlicher Gartenlandschaft für Sozial- und Freizeiteinrichtungen. Die gedeckte Halle kann in Wintermonaten durch eine Glasaußenhaut aus Vertikalschiebeelementen zu einem durchgrünten Wintergarten geschlossen werden. Insbesondere in den heißen und regnerischen Sommermonaten Japans sorgt die gedeckte aber offene Freilufthalle für eine gute Luftzirkulation für die Rekreationszone und die darüberliegenden Atriumwohnungen.

Northern Housing, Aomori...
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"Himmel über Fünfhaus":
der "Wiener Block" und seine VERWANDLUNG

Dramolett

wider die Flucht ins Umland

gewidmet

Otto Wagner, einem Vordenker seiner Zeit

Regie: Coop "Wien ist anders" Stadtverwaltung und Experten

Dramaturgie: Zufall & Co

Bühnenbild: "Wiener Blockrand"

Lichttechnik: ARGE Sonne und Mond

Ausstattung: Ideenspender

Darsteller: Zwei hohe Räte (HR)

Zwei hohe Beamte (HB)

Ideenspender

1. Szene

Wir schreiben das Jahr 2004. Im Rathaus findet soeben eine Kriesensitzung im Büro des hohen Rates statt. Anwesend sind die beiden hohen Räte, zwei hohe Beamte und mehrere Berater. Im Vorraum wartet der Ideenspender auf seinen Auftritt. Im Raum macht sich gedrückte Stimmung breit.

1. HR Meine Herren! Wir haben alles versucht um mit unseren neuen Wohnbauten wieder einmal international zu reüssieren. Mit enormen Aufwendungen haben wir Mülldeponien an der Donau beseitigt, dann Autobahnen überplattet und darüber Wohnungen errichtet. Wir haben hinter meterdicken Ziegelmauern ohne Öffnungen mit großer Anstrengung Wohnungen errichtet, die dank unserer Werbestrategen unter dem Leitfaden Licht und Luft derzeit auch bewohnt werden. Wir konnten, 30 Jahre verspätet, das international längst etablierte Hochhaussyndrom nach Wien bringen und dies großteils sogar für Wohnzwecke. Das Errichten von Wohnanlagen an oder über Ausfallstraßen mit enormen Lärm- und Luftbelastungen ist dank unserer Hartnäckigkeit bereits zur Norm geworden. Trotzdem können wir den anhaltenden Bevölkerungsschwund in unserer Stadt nicht eindämmen. Trotzdem haben wir keine Ansätze um der fortschreitenden Verödung in weiten Teilen der Kernbezirke zu begegnen. Das Loch in der Stadtmitte wächst, abgesehen von den Touristenvierteln, unaufhaltsam. Wenn wir nicht bald etwas unternehmen, wird unser geliebtes Wien eine "Donut-City" mit leerstehenden Gründerzeitblocks, geschlossenen Läden und ausgestorbenen Straßen. Die ausgerufene "zweite Gründerzeit" mußten wir vor beinahe 10 Jahren wegen Bevölkerungsschwund beenden. Nur der Speckgürtel mit den neuen Wohnanlagen, längst nicht mehr im Grünen und meist ohne jegliche Infrastruktur, wächst und wächst.
Wo sind die Zeiten geblieben, in denen unsere Leistungen für den Wiener Siedlungs- und Städtebau weltweit mit Lob überhäuft wurden? Wir fallen in der internationalen Bewertung im Vergleich zu unseren

früheren Errungenschaften der zwanziger Jahre immer mehr zurück. Hat jemand der hier Anweseden einen Vorschlag oder vielleicht eine Vision als Ausweg aus der Sackgasse? Aber bitte meine Herren, keine Vorschläge mit langfristigen Ergebnissen. Es muß, wie immer, schnell gehen. In unseren politischen Positionen ist der Zeitfaktor immer das Allerwesentlichste.

1. HB flüsternd zu 2. HB

Das klingt ja nach Amtsmüdigkeit. Da müssen wir uns wieder auf einen Neuen einstellen! laut in die Runde

Wir haben doch unsere Beiräte mit guten Vorschlägen!

2. HR Deren Vorschläge enden immer damit, daß sie sich Baudenkmäler setzen, die keinen Einfluß auf Stadtstruktur und Wohnqualität haben.

2. HB Im Vorzimmer wartet ein Ideenspender, ein Experte in Wohnungs- und Siedlungsfragen. Er hat eine neue Idee vorzustellen: "Himmel über fünfhaus"

Ideenspender tritt auf, stellt sich für die Einladung dankend vor, in der einen Hand eine Planrolle, die er jetzt über den Sitzungstisch ausbreitet, in der Anderen ein Billa-Sackerl, aus dem er zur Verwunderung der Anwesenden zwei exakt quaderförmige Emmetaler-Käsestücke holt. Das eine Stück hält er in seiner Rechten senkrecht, das andere identische Stück aber liegt waagrecht in der linken Handfläche.

Ideenspender beginnt seinen Monolog:


Die Tragweite der Idee ist mit diesen beiden Käsestücken einfach zu erläutern: Das senkrecht stehende Stück in meiner Rechten symbolisiert den Wiener Block des 19. Jahrhunderts mit seiner im Stadtraster wiederholt hermetischen Randbebauung im vertikalen Geschoßstapel. Block-Gasse-Hof.
Das in meiner Linken waagrecht liegende Stück symbolisiert das neue Blockdach als horizontaler Geschoßteppich über einer mehrgeschoßig durchlässigen und unterschiedlich dichten Sockelbebauung. STADTSOCKEL-WOHNDACH.
Wien verliert pro Jahr 8.000 Bewohner durch Stadtflucht. Ein Hauptgrund dafür ist der anhaltende Trend zum Einhamilienhaus im Grünen. Fünfzig Prozent der jungen Familien flüchten vor schlechten Umweltbedingungen in den urbanen Kernzonen, vor der Allgegenwart des Autos in das Stadtumland. Das endlos wiederkehrende Stadtbild aus dem 19. Jahrhundert Straße-Block-Hof kann die gegenwärtigen Qualitätsansprüche an Wohnung und Stadt nicht mehr erfüllen. Somit sind Möglichkeiten und Ressourcen der hundertfachen Blockrand-bebauungen hinsichtlich zeitgemäßer Wohn- und Lebensformen der Stadtbewohner zu überprüfen. Das vorliegende Konzept eines dreigeschossigen Wohndaches über dem Stadtsockel hat zum Wohnen nur oberste Etagen und ermöglicht so allen Bewohnern möglichst viel Luft und Licht mit großzügig bepflanzten privaten Freiräumen. Ziel ist es, den Bewohnern das Gefühl zu geben im Grünen zu wohnen und dabei alle Vorteile des städtischen Lebens geniessen zu können. Ausgehend von der Wechselwirkung zwischen der Wohnung als kleinste Einheit und der Stadt als Ganzes, kann nur durch neue Wohnformen eine neue Stadtstruktur entstehen. Über Jahrhunderte war die Hauptaufgabe

der Stadtplanung die Stadterweiterung. Die anfallenden Probleme sind aber nur mit neuen Formen der Stadtverdichtung zu bewältigen. Der vertikale Wohnungsstapel des Wiener Blocks mit Öffnungen zu Straße und Hof kann trotz großer Anstrengungen die gegenwärtigen Wohn-ansprüche nicht mehr erfüllen. Lediglich Dachausbauten bieten in geringer Anzahl eine zeitgemäße Wohnform für wenige Privilegierte. Als leistungsfähige Transformation des Wiener Blocks haben wir deshalb ein Wohndach für alle Blockbewohner entwickelt. Entsprechende private Grünräume am Zenitlicht sollen die Grünlage am Stadtrand ersetzen.
Wenn weiterhin jede Baulücke nach dem alten Blockrandschema gewidmet wird, verplanen wir uns mit jedem Neubau küftig erforderliche Veränderungen. Die Stadtverwaltung sollte daher Pilotprojekte im Sinne einer Neustrukturierung von abgewohnten Stadtteilen entwickeln, für deren Realisierung in Etappen eine projektbezogen großzügige Auslegung und Adaptierung des Baurechtes sowie der Eigentums-verhältnisse zu definieren wäre. Der Stadtsockel unter dem Wohndach kann über mehrere Geschosse, dem Standort angepaßt
, alle erforderlichen städtischen Einrichtungen, von zusammenhängenden Grünräumen bis zu sozialen und kommerziellen Einrichtungen, aufnehmen. Der Stadtsockel ist in diesem Sinne als Vorhaltekubatur für die Entwicklung der Blockrandviertel zu sehen. Großflächige Nutzungen, wie Supermärkte, Sporthallen, Dienstleistungs- Büro und Verwaltungs-einrichtungen etc. müssen nicht mehr auf hiefür geeignete Bauplätze an den Stadtrand verlegt werden. Das sich abzeichnende deurbane Loch in den Kerngebieten der Stadt kann so neu gefüllt werden.

2. HR zu 1. HR Die Idee ist durchaus beeindruckend und plausibel. Verblüffend ist jedenfalls der einfache Ansatz. Wir könnten damit einen erheblichen Teil unserer Probleme lösen. Aber der Zeitfaktor?

Denkpause

1. HR laut in die Runde Vielleicht sollten wir doch einmal über unseren Schatten springen. Meine Herren! Wir werden den "Himmel über Fünfhaus", realisieren, wo sich auch immer eine Gelegenheit in der Stadt bietet. Ich schlage zur Projektvorbereitung eine Kommission aus Vertretern der Stadtverwaltung und unseren besten Experten vor.

1. HB in die Runde Wie wäre es mit dem Arbeitstitel "Wien ist anders"?

2. HR Wir werden dazu unsere Werbestrategen befragen.

1. HB flüstern zu 1. HB Das wird wieder ein Fiasko werden!

1. HR schließt die Kriesensitzung

 

 

Autor: Walter Stelzhammer im August 2004

Himmel ueber Fuenfhaus
 
 

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